Deutscher Bundestag
SPD

Persönliches Statement zum Krieg in der Ukraine

02.03.2022

Wir alle blicken gerade Tag für Tag in großer Sorge auf die Ukraine. Der Krieg ist zurück in Europa. Ein souveräner und demokratischer Staat wird in einem einseitigen und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg überfallen. Dafür gibt es keine Legitimation. Dieser Krieg trägt einen Namen - es ist Putins Krieg. Seine Aggression bricht mit dem Völkerrecht, mit der Helsinki-Grundakte von 1975 und den Minsker-Vereinbarungen von 2014. Ich weiß, das beschäftigt aus gutem Grund jede und jeden. Meist mit der Sorge, wohin diese Aggression und Eskalation führen kann. Ich kann diese Sorgen gut nachvollziehen - ich teile sie auch. Rund um die Uhr bin ich mit Fragen der richtigen Reaktion zum richtigen Zeitpunkt beschäftigt. Ich kann nur sagen, dass ich nach der Rede unseres Bundeskanzlers Olaf Scholz in der Sondersitzung des Bundestages froh bin, dass er im Kanzleramt sitzt und für uns die Geschicke lenkt. Denn er tut dies mit fester sozialdemokratischer Grundhaltung, die in dieser Zeitenwende aber ebenfalls einen Perspektivwechsel braucht.

Ich und mit mir viele andere haben lange Zeit gehofft, dass unsere Generation und die Generation unserer Kinder so etwas nie wieder erleben muss. Wir haben uns seit über 70 Jahren an einen europäischen Kontinent in Frieden, Freiheit und Wohlstand gewöhnt. Ein Europa, das das kollektive Recht über das Recht des Stärkeren stellt. Ein Europa, das auf Zusammenhalt setzt. Wladimir Putin zerstört diese Gewissheiten auf brutale Art und Weise - darunter leiden derzeit Millionen Menschen in der Ukraine, die sich in ihrem Land für Demokratie, Freiheit und Wohlstand eingesetzt haben. Viele Menschen sind bereits auf der Flucht. Auch ihnen gilt unsere Solidarität. Die völkerrechtswidrige Aggression, die von Putin ausgeht, sollte niemand relativieren. Sie ist ein Fakt und wir werden sie niemals hinnehmen. Ja, es ist Putins Krieg. Es ist nicht der Krieg der russischen Bevölkerung. Ich habe umso mehr Bewunderung und Respekt für all jene, die sich sowohl in der Ukraine als auch in Russland diesem Krieg entgegenstellen.

Wir tun in der Bundesregierung und in der Ampel-Koalition alles, um die Ukraine und ihre Bevölkerung zu unterstützen. Wir stehen solidarisch an der Seite der Ukraine. Ich bin wahnsinnig stolz, dass das auch in Deutschland Hunderttausende zeigen - mit Spenden und Hilfsaktionen, bei Kundgebungen zum Beispiel in Pforzheim und Straubenhardt, am Rosenmontag in Köln oder auf einer großen Demonstration in Berlin. Die Sanktionen, die die Bundesregierung in engster Abstimmung mit der EU und den USA erlassen hat, zielen darauf ab, dem System Putin und damit auch diesem Krieg die finanziellen und wirtschaftlichen Grundlagen zu entziehen. Die Sanktionen - von Exportstopps über den Ausschluss aus der Bankenkommunikation Swift und den Sanktionen gegen die russische Zentralbank bis hin zum Einfrieren von Vermögenswerten auf der ganzen Welt - haben einen bisher nie dagewesenen Umfang und sie zeigen ihre Wirkung. Dass Deutschland nun auch Waffen zur Selbstverteidigung in die Ukraine liefert halte ich in dieser Situation für richtig. Die europäische Sicherheitsordnung hat sich in den vergangenen Tagen dramatisch verändert. Im Lichte dieser Entwicklungen gilt es, alte Gewissheiten zu hinterfragen. Das ist immer Teil von verantwortungsvoller Politik, die sich an der Realität ausrichtet. Dabei gilt nach wie vor der Grundsatz, dass wir wo immer möglich das Gespräch mit Russland suchen ohne dabei aber naiv zu sein. Die Aufforderung gilt: Putin muss diesen Krieg beenden.

Ich erwarte auch von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder, dass er Konsequenzen aus der völkerrechtswidrigen Aggression Putins zieht und er nicht nur den Krieg verurteilt, sondern auch seine eigenen geschäftlichen Beziehungen zum System Putin beendet. Es gibt viele Vorbilder dafür - gerade hat Matthias Platzeck den Vorsitz des Deutsch-Russischen Forums niedergelegt.

Der völkerrechtswidrige Krieg Putins mitten in Europa bedeutet auch für die EU und für Deutschland eine Zeitenwende.

Unsere Außen- und Sicherheitspolitik wird sich im Lichte dieser Zeitenwende neu ausrichten müssen. Diese Zeit und die veränderte politische Realität erfordern neue Antworten auf schwierige Fragen. Wir stellen uns dieser Herausforderung. Dabei muss Deutschland - auch auf Wunsch unserer Partnerinnen und Partner - innerhalb der Staatengemeinschaft in NATO und EU mehr Verantwortung übernehmen. Die Europäische Union muss gemeinsam entschlossen handeln, wenn Frieden, Demokratie und Freiheit bedroht werden. Dazu gehören neben wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Kooperation, neben fortlaufender Diplomatie auch robuste militärische Fähigkeiten. Bundeskanzler Olaf Scholz hat das in der Sondersitzung des Bundestages am vergangenen Sonntag in einer klaren und konsequenten Rede ausführlich begründet. Er hat ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für wichtige Vorhaben der Bundeswehr angekündigt, gemeinsame europäische Impulse in der Sicherheitspolitik, Investitionen in die Verteidigung von mehr als 2% des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr und eine unabhängigere Energieversorgung für Deutschland. All das sind Konsequenzen aus der neuen Situation.

Der Weg, den Olaf Scholz gewählt hat, ist einer, der die anderen großen Vorhaben der Regierung - die Gestaltung der Transformation, der soziale Ausgleich aber auch wichtige Vorhaben wie etwa die Kindergrundsicherung - nicht gefährdet. Es geht dabei nicht um "Aufrüstung" als Selbstzweck, sondern darum, dass Deutschland im Rahmen der kollektiven Sicherheit in EU und NATO wichtige Aufgaben übernimmt. Es geht vor allem um gute Ausrüstung und ein Sicherheitssystem auf der Höhe der Zeit. Nach 16 Jahren mit CDU-Ministern im Verteidigungsressort ist dies umso wichtiger. Es geht darum, dass wir die Männer und Frauen in der Bundeswehr für diese Aufgaben angemessen und ordentlich ausstatten. Es geht um ein geeintes und starkes Europa in einer handlungsfähigen NATO. Wir werden dabei immer Demokratie und Freiheit verteidigen.

Ich weiß, dass die Idee universeller Menschenrechte, die Idee von Freiheit und Demokratie stärker ist als das bloße Recht des Stärkeren oder als die Repressionssysteme der Autokraten dieser Welt. Genau davor hat Wladimir Putin Angst. Und deshalb ist es wichtig, dass wir so konsequent handeln. Bundeskanzler Olaf Scholz geht dies klug an und bringt all dies auf den Weg.